In Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Mönchengladbach beschäftigen die beiden Radstationen der Diakonie in Mönchengladbach und Rheydt arbeitslose Frauen und Männer in einer qualifizierten und befristeten Beschäftigung. Die Teilnehmer im Alter zwischen 18 und 63 Jahren werden unterstützt, ihre Vermittlungshemmnisse abzubauen, eine Tagesstruktur zu finden und soziale Teilhabe zu erleben. Die Maßnahmen dienen dazu, sich für den ersten Arbeitsmarkt zu profilieren und die Chancen zu erhöhen, Arbeit zu finden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, in der Radstation eine Ausbildung zum Zweiradmechatroniker Fachrichtung Fahrrad zu machen.
Diese Möglichkeit nutzt Marlon Kramorz. Der 30-Jährige ohne Schulabschluss lebte 2015 ohne festen Wohnsitz. „Das zermürbte mich, die Situation war nicht mehr tragbar“, sagt er. Er ergreift die Initiative und nimmt Kontakt zur Zentralen Beratungsstelle für Wohnungslose Männer auf, findet im Haus der Diakonie an der Rheydter Straße eine Wohnung, die er sich mit einem Mitbewohner teilt. Zu dieser Wohnform gehört die ambulante Betreuung durch eine Sozialarbeiterin der Diakonie.
In den eigenen vier Wänden zur Ruhe kommen
„In der Wohnung kam ich zur Ruhe; ich hatte Zeit, über mein Leben nachzudenken“, erinnert sich Marlon Kramorz. Er will einen Schulabschluss machen, um später Physik studieren zu können. „Physik bedeutet für mich, die Welt zu verstehen, sie zu erklären, soweit der Verstand das zulässt“, sagt er. Er startet 2017 mit der Schule, aufgrund mangelnder Anwesenheit dort verweist man ihn im Juli 2019. Mithilfe der Sozialarbeiterin Ursula Leineweber, die für das Betreute Wohnen und auch in der Radstation für die sozialpädagogische Begleitung zuständig ist, startet Marlon Kramorz eine Arbeitsgelegenheit in der Radstation in Mönchengladbach.
Die Chance genutzt
Dort wird deutlich, wie intelligent er ist. Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Jobcenter, dem Betriebsleiter und Zweiradmechaniker-Meister der Radstation und Ursula Leineweber wird für Marlon Kramorz im September 2019 über den Tüv Nord eine Ausbildung zum Zweiradmechaniker möglich gemacht. Die Kosten übernehmen die Arge und der Tüv Nord. „Es macht für die Arbeit deutlich, dass Entwicklung Zeit und einen großen Koffer Geduld benötigt. Und es zeigt, wie sinnvoll es ist, den Blickwinkel auf das Positive und die Fähigkeiten zu lenken und diese zu bestärken. Lenkt man die Unterstützung nur auf Defizite, kann kein Wachstum entstehen und keine Veränderung stattfinden“, fasst Ursula Leineweber zusammen.
Inzwischen hat Marlon Kramorz seine Zwischenprüfung bestanden. Er gehört zu den Klassenbesten und will im Februar 2024 seine Ausbildung erfolgreich abschließen. Mit dem Gesellenbrief in der Tasche, kann er dann Physik studieren. Damit hat er sich über einen Umweg die Möglichkeit eines Physik- Studiums erarbeitet. „Die Radstation bietet mir eine Tagesstruktur. Ich will hier auch nach meiner Prüfung weiterarbeiten. Das Physikstudium ist aber noch nicht abgehakt“, sagt Marlon Kramorz und lacht.
Die Radstation Rheydt verschwindet rein optisch seit 2022 hinter der Großbaustelle des Bahnhofes – sie ist aber noch da und geöffnet. „Wir hoffen und wünschen uns, dass die Radstation nach Fertigstellung des Bahnhofs 2024 baulich erweitert wird, um mehr Menschen wie Marlon Kramorz eine Chance für den ersten Arbeitsmarkt bieten zu können“, sagt Ursula Leineweber.